Mediensucht bei Kindern – Vorbeugen & Symptome erkennen

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Foto: Digital Wellbeing – Von Detox bis Verzicht

Noch eben ein Level spielen, schnell ein Reel checken, kurz die neue Sprachnachricht anhören – und schon sind wieder Stunden vergangen. Was meist unterhaltsam ist, kann für einige Kinder und Jugendliche zum digitalen Sog werden. Soziale Netzwerke, Games und auch Streaming-Portale ziehen junge Menschen in ihren Bann – manchmal so stark, dass die reale Welt daneben verblasst.

Längere Bildschirmzeiten allein deuten jedoch noch nicht auf eine Mediensucht hin. In unserem Themenbereich beantworten wir deshalb die wichtigsten Fragen rund um die Themen exzessive Mediennutzung und Mediensucht. Ab wann wird die Mediennutzung zu viel? Ab wann spricht man von Sucht? Was können Eltern vorbeugend tun? Und ab wann müssen sie eingreifen?

Ab wann spricht man von Mediensucht?

Die Grenze zwischen häufiger Internetnutzung und Mediensucht ist fließend. Auch wer täglich zockt oder auf Social-Media-Plattformen unterwegs ist, ist deshalb noch nicht automatisch süchtig.

Entscheidend ist vor allem, ob die Person selbst noch die Kontrolle über ihren Medienkonsum hat. Eine Sucht kann vorliegen, wenn das Nutzungsverhalten nicht mehr gesteuert werden kann. Beispielsweise dann, wenn ohne Medienkonsum Entzugserscheinungen oder Stimmungsschwankungen auftreten. Auch der Verlust von Hobbys und sozialen Kontakten, Lügen über das Ausmaß der Nutzung sowie Fehlzeiten in der Schule können Hinweise sein. Ein weiteres typisches Merkmal ist, dass Online-Aktivitäten fortgesetzt werden, obwohl bereits negative Konsequenzen wie körperliche und psychische Beeinträchtigungen spürbar sind.

Mediensucht Symptome: Warnsignale erkennen

Bisher gibt es keine weltweit anerkannte Diagnose für eine Mediensucht. Allerdings wurde im Jahr 2018 die Gaming Disorder (Videospielsucht) von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit anerkannt. Die Kriterien, die für eine Gaming Disorder definiert wurden, könnten zukünftig auch für die Diagnose einer Mediensucht oder Social-Media-Sucht genutzt werden, falls diese als Krankheiten bzw. Verhaltensstörungen offiziell anerkannt werden sollten. Laut WHO müssen die folgenden Symptome mindestens ein Jahr lang vorhanden sein, damit von einer Gaming Disorder gesprochen werden kann:

  • Verlust der Kontrolle über das mediale Nutzungsverhalten.
  • Rückzug aus anderen Lebensbereichen, wie Schule, Hobbys und Freundschaften.
  • Anhaltende Mediennutzung, obwohl sich negative Folgen für Gesundheit und Alltag zeigen.

Ein problematischer Konsum liegt vor, wenn diese Kriterien noch nicht vollständig erfüllt sind, das Nutzungsverhalten aber schon bedenkliche Ausmaße annimmt.

Was kann exzessive Mediennutzung begünstigen?

Die Frage, warum jemand nach Social Media oder Computerspielen süchtig wird, ist schwer zu beantworten und wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt jedoch bestimmte Faktoren, die eine exzessive Mediennutzung begünstigen können. Dazu zählen beispielsweise:

  • persönliche Faktoren wie Einsamkeit, Schüchternheit oder geringes Selbstwertgefühl,
  • Depression, Stress, (Versagens-)Ängste, die Unfähigkeit, Probleme zu bewältigen, oder eine gering ausgeprägte Verhaltenskontrolle,
  • das soziale Umfeld, zum Beispiel fehlende Aufmerksamkeit innerhalb der Familie oder fehlende Akzeptanz von Gleichaltrigen in der realen Welt,
  • Misserfolge oder mangelnde Erfolgserlebnisse im Alltag,
  • Langeweile, beispielsweise durch unzureichende Freizeitangebote,
  • kritische Lebenssituationen (zum Beispiel Trennungen oder Schulprobleme).

Neben den persönlichen Voraussetzungen bei den Nutzer*innen gibt es auch Elemente in digitalen Diensten, die eine häufige und exzessive Nutzung begünstigen. Diese werden als „Dark Patterns“ (zu Deutsch etwa: „manipulative Designmuster“) bezeichnet.

  • Push-Nachrichten vermitteln das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn man die App nicht regelmäßig öffnet (Fear of Missing Out).
  • Wer regelmäßig spielt, wird mit „Geschenken“ belohnt, zum Beispiel mit „Münzen“ oder „Diamanten“, Bonusgegenständen, freigeschalteten Leveln oder Ähnlichem.
  • Designelemente wie endloses Scrollen, Videoschleifen und automatische Wiedergabe erschweren es User*innen, die Nutzung zu beenden.
  • Befristete Events und Streaks (zum Beispiel die Flammen bei Snapchat) erzwingen die tägliche Nutzung der Dienste.

Tipps für Eltern: So können Sie Mediensucht vorbeugen

Die folgenden Tipps helfen Ihnen, Ihr Kind „medienfit“ zu machen und einer exzessiven Mediennutzung vorzubeugen:

  • Interessieren Sie sich für die digitale Welt, die Ihr Kind begeistert. Lassen Sie sich darauf ein und spielen, streamen oder surfen Sie mit. So wird die Faszination verständlicher, und Ihr Kind fühlt sich ernst genommen.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Spiele, Inhalte und Medien-Erlebnisse. Wer weiß, was sein Kind am Bildschirm tut, kann sinnvoll begleiten und gegebenenfalls Grenzen setzen. Hier gibt es Ideen für den Gesprächseinstieg.
  • Als Eltern haben Sie eine Vorbildfunktion. Überprüfen Sie Ihr eigenes Medienverhalten und gehen Sie mit gutem Beispiel voran.
  • Schaffen Sie ein respektvolles familiäres Umfeld, in dem sich Ihr Kind wertgeschätzt fühlt. Das stärkt das Selbstvertrauen und ermutigt Ihr Kind, sich Ihnen im Problemfall anzuvertrauen.
  • Digitale Auszeiten sind wichtig. Sorgen Sie für Anregung und Alternativen zu Smartphone, Spielekonsole & Co., zum Beispiel in Form gemeinsamer Unternehmungen oder Freizeitaktivitäten.
  • Generelle Verbote sind auf Dauer wenig hilfreich und führen eher dazu, dass heimlich gespielt, gestreamt oder gesurft wird. Vereinbaren Sie stattdessen gemeinsam feste Nutzungszeiten. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie ihm bei der Einhaltung dieser getroffenen Absprachen vertrauen. Das Angebot www.mediennutzungsvertrag.de hilft Ihnen dabei.
  • Viele Jugendschutzprogramme bieten die Möglichkeit, die Nutzung von Apps auf bestimmte Zeitfenster zu beschränken. Außerdem bieten sie in der Regel auch eine Übersicht über die tägliche oder wöchentliche Nutzung. In Absprache mit dem Kind können diese technischen Mittel dabei helfen, die vereinbarten Nutzungszeiten einzuhalten und den Überblick über die Nutzung zu behalten.

Wenn Sie mehr über den gesunden Umgang mit Medien erfahren möchten, schauen Sie im klicksafe-Themenbereich Digitales Wohlbefinden vorbei.

https://www.klicksafe.de/digital-wellbeing

Was ist Digital Wellbeing?

Wer kennt das nicht: Eigentlich wollten wir das Smartphone schon längst weggelegt haben, aber immer noch kleben wir an unseren Geräten. Der Sog des Digitalen wird immer stärker. An unser digital wellbeing zu denken, fällt vielen von uns zunehmend schwer. In einer Zeit ständiger Erreichbarkeit und exzessiver Nutzung digitaler Medien wird immer wieder „Offline-Zeit“ oder „Detoxing“ empfohlen, um den „digitalen Stress“ im Alltag abzubauen. 

Fast alle aktuellen sozialen Netzwerke und Dienste funktionieren nach den Prinzipien der digitalen Aufmerksamkeit. Sie sind so konzipiert, dass immer mehr Zeit in Social Media verbracht wird, als ursprünglich geplant. Vergleiche mit unerreichbaren Schönheitsidealen oder die Konfrontation mit Hassbotschaften, Cybermobbing, Fake News oder jugendschutzrelevanten Inhalten kann unser digital wellbeing zusätzlich negativ beeinflussen.

Digital Detox

Digital Detox, Detoxing oder Medienfasten – es gibt zahlreiche Begriffe und Gründe dafür, öfter mal die Austaste zu drücken oder gleich den Stecker zu ziehen. Digital Detox bedeutet aus dem Englischen übersetzt in etwa „digitale Entgiftung“ oder auch „digitales Fasten“. Es geht um die Zeit, die ein Mensch bewusst auf die Nutzung elektronischer Verbindungsgeräte wie Smartphones, Tablets und Computer teilweise oder ganz verzichtet.

Eine digitale Entgiftung kann ein guter Einstieg sein, um den eigenen Medienkonsum zu reflektieren und sinnhaft zu verändern.

Um digital Wellbeing zu erreichen, müssen junge Menschen auch solche Inhalte kennenlernen, die ihnen guttun und sie bestärken. Medien sinnvoll zu nutzen und zum Beispiel selbst Inhalte zu erstellen und damit kreativ zu gestalten, statt bloß passiv zu konsumieren, kann erfüllend sein.

Probieren Sie es aus und finden Sie Ihre Balance zwischen Online und Offline!

Sechs Tipps für mehr Digital Detox im Alltag

Bildschirmzeiten überprüfen!

Prüfen Sie zunächst, wie oft und wie lange Sie ihr Handy täglich nutzen. Dazu können Sie eine App herunterladen, mit der Sie erkennen, wie häufig Sie auf Ihr Telefon schauen. Achten Sie hierbei auf datenschutzkonforme Apps.

Viele Dienste wie YouTube oder Instagram und Betriebssysteme wie iOS bieten die Möglichkeit, Bildschirmzeiten zu dokumentieren oder Limits festzulegen. iPhone-Nutzer*innen (ab iOS 12) finden die Funktion „Bildschirmzeit“ in den Einstellungen. So bekommen Sie einen Überblick über Ihre tatsächliche Bildschirmzeit und können anfangen, diese bewusst zu reduzieren.

Smartphone aufräumen!

Welche Apps brauchen Sie wirklich und welche können Sie löschen, weil sie nur sinnlose Zeitfresser sind? Prüfen Sie die Accounts, denen Sie auf Social Media folgen: Enthalten sie sinnvollen Content? Oder nerven Sie eher, weil viel Werbung angezeigt wird oder sich Themen ständig wiederholen?

Technische Einstellungen nutzen!

  • Deaktivieren Sie Push-Meldungen, sodass Sie nicht ständig dazu verführt werden, eine bestimmte App zu öffnen.
  • Verwenden Sie Zeitbegrenzungen für Apps, die Sie besonders viel nutzen.
  • Stellen Sie Benachrichtigungen so ein, dass nur Anrufe und Nachrichten von besonders wichtigen Menschen ein akustisches Signal oder den Vibrationsalarm auslösen können.

Bewusst digitale Freiräume schaffen!

Legen Sie das Smartphone bewusst in einen anderen Raum oder schalten Sie es aus. Machen Sie ihr Schlafzimmer zur smartphonefreien Zone und schalten Sie das Gerät eine Stunde vor dem Schlafengehen ab.

Regeln festleden!

Mithilfe eines Mediennutzungsvertrags können Familien Regeln festlegen, die für alle gelten. Kinder entwickeln so ein besseres Gespür für eine gesunde Mediennutzung und auch Eltern finden zu einer besseren Balance und nehmen ihre Vorbildrolle besser wahr.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

Informieren Sie Ihr Umfeld über Ihre veränderte Mediennutzung. Sie werden da sein, um Sie daran zu erinnern, wenn Sie sich etwas zu oft verführen lassen! Oder Sie beginnen die „digitale Entgiftung“ mit jemandem gemeinsam. Die Dynamik im Team kann manchmal verlockend und effektiver sein.